Die Zahlen der BKK ProVita und des InEK

Veröffentlicht am 17.3.22

Am 21.2.22 verfasste die BKK ProVita einen Brief an das Paul-Ehrlich-Institut mit erheblicher Sprengkraft. Was war geschehen?

Die BKK bekommt wie jede Krankenkasse einmal im Quartal die Abrechnungsdaten der niedergelassenen Vertragsärzte. Neben den Abrechnungsziffern (also die Ziffern, für die der Arzt Geld bekommt) sind natürlich auch die begründenden Diagnosen enthalten. Diese werden nach dem sogenannten ICD10 verschlüsselt, jede Erkrankung und jede Diagnose hat ihren eigenen Code.

Die BKK war nun so „frech“, und hat die Häufigkeit von vier ICD10-Nummern einmal ausgezählt und mit früheren Abrechnungen verglichen. Zu den Codes gehörten:

  • T88.0 Infektion nach Impfung
  • T88.1 sonstige Komplikationen nach Impfung, anderswo nicht klassifiziert
  • U12.9 unerwünschte Nebenwirkungen bei der Anwendung von Covid-Impfstoffen, nicht näher bezeichnet
  • Y59.9 unerwünschte Nebenwirkungen bei therapeutischer Anwendung von Impfstoffen oder biologisch aktiven Substanzen.

In Grafiken abgebildet, sieht das so aus:

 

Dabei ist aufgrund der Zahlen nicht zu übersehen, dass es 2021 zu einer deutlich häufigeren Anwendung dieser Zahlen im Vergleich zu früheren Quartalen gekommen ist. Denn während noch 2020 pro Quartal im Schnitt etwa 3.000 Komplikationen nach Impfungen angeführt wurden (für etwas mehr als 10 Millionen Patienten), schnellte diese Zahl im zweiten Quartal 2021 auch über 100.000 Fälle. Und die unerwünschten Nebenwirkungen nach Covid-Impfung stiegen aus dem Stand auf 52.499 angegebene Fälle – und das nur in einem Quartal und nur bei der BKK.

All dies hat die BKK in dem Schreiben an das PEI angegeben, dazu auch noch hochgerechnet auf die Bevölkerung Deutschlands, und unter der Annahme, dass bei den anderen Krankenkassen ähnliche Abrechnungsdaten vorliegen würden (was naheliegend ist), festgestellt, dass demzufolge im Jahr 2021 2,5 bis 3 Millionen Menschen wegen Impfnebenwirkungen in ärztlicher Behandlung gewesen sind.

Dem stehen die Zahlen des Paul-Ehrlich-Institutes gegenüber, welches von 244.576 Verdachtsfällen für das Jahr 2021 spricht!

Nicht ganz unerwartet kam es zu heftigen Reaktionen in der Presse, der BKK wurde Unsachlichkeit und sogar „Schwurbelei“ vorgeworfen. Besonders unsachlich äußerte sich nach meiner Einschätzung der Vorsitzende des Virchowbundes (Verband der niedergelassenen Ärzte). Dr. Dirk Heinrich, in dem er unter anderem schreibt: „Diese undifferenzierte Schwurbelei passt aber ganz offensichtlich in das Markenimage der Kasse, die mit Homöopathie und Osteopathie als Satzungsleistungen wirbt und sich selbst als veggie-freundlichste Krankenkasse tituliert. Offenbar will man vor allem Werbung in der impfkritischen Klientel machen.“ (1)

Eine solche Aussage ist für mich nicht hinnehmbar, insbesondere nicht von einem Arzt, von dem ich erwarte, dass er sachlich und wissenschaftlich fundiert Gegenargumente vortragen kann. Erschreckend fand ich, dass diese Äußerungen auch im Ärzteblatt veröffentlicht wurden. Wenn sich ein offizielles Organ der Ärzteschaft zu einer solchen Polemik hinreißen lässt, schadet das den Ärzten mehr als es nützlich und sinnvoll ist.

Pikantes am Rande: Dr. Dirk Heinrich war selbst lange Leiter eines Hamburger Corona-Impfzentrums und hat an den Impfungen sehr gut verdient.

Der Vorstandschef der BKK wurde inzwischen fristlos entlassen. Wahrheit oder zumindest freie Meinungsäußerung ist nicht mehr erwünscht!

Einen schönen Kommentar zu den Äußerungen von Dr. Heinrich und der Reaktion des PEI finden Sie hier:

https://sciencefiles.org/2022/02/25/covid-19-impf-nebenwirkungen-geschwurbel-und-hass-statt-dialog-oder-wie-viele-leichen-liegen-beim-virchowbund-im-keller/

Jedoch muss man sich bei aller Sympathie für die eine oder andere Seite fragen, ob denn an den Ausführungen der BKK bzw. dessen Vorstandschef etwas dran sein könnte, oder ob er sich tatsächlich geirrt hat.

Und genau das hat ein kluger Mensch namens Tom Lausen getan. Und zwar über die Abrechnungsdaten der Krankenhäuser, die ja ebenfalls öffentlich zugänglich sind. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Daten zu stationären Krankenhausleistungen in Deutschland, die der Pflege und Weiterentwicklung des sogenannten Fallpauschalensystems zu Grunde liegen. Und bei der Analyse dieser Daten, die sie ausführlich hier (2) nachlesen können, kommt Lausen zu folgendem Ergebnis:

(Hinweis: Wenn Sie mit der rechten Maustaste auf ein Bild klicken und dann "Bild in neuem Tab öffnen" wählen, werden die Bilder in einem neuen Tab viel größer und damit lesbarer dargestellt)

und nach Alter aufgeschlüsselt:

In all diesen Grafiken (als Zusammenfassung der tatsächlich abgerechneten Daten) sieht man einen deutlichen Anstieg der abgerechneten Nebenwirkungen seit dem ersten Quartal 2021, also dem Zeitpunkt der Impfstarts.

Daraus lässt sich aus meiner Sicht unzweifelhaft ableiten, dass die von der BKK proVita vorgelegten Zahlen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit richtig sein dürften! Und man erkennt auch, dass die Zahlen Ende 2021, also mit Beginn der Boosterung wieder anstiegen. Diese Daten (drittes und viertes Quartal) wurden im Bericht der BKK noch nicht ausgewertet.

Wir müssen also hochgerechnet annehmen, dass im Jahr 2021 etwa 2,5 bis 3 Millionen Menschen wegen Nebenwirkungen der Impfung einen Arzt oder ein Krankenhaus aufgesucht haben.

Nun kann man ja argumentieren, dass es sich hier überwiegend um Bagatell-Nebenwirkungen gehandelt habe. Ich meine aber, wenn dem so wäre, könnte man ja einfach alle Daten aller gesetzlichen Krankenkassen überprüfen und dies berechnen. Denn zusätzlich zu einer der vier oben erwähnten Diagnoseschlüsseln muss man ja als Arzt noch eine zweite Diagnose angeben, in der dann genau spezifiziert wird, um welche Form von Nebenwirkung es sich gehandelt hat. Doch das wurde verhindert, in dem der Vorstandschef der BKK proVita fristlos entlassen wurde, und gleichzeitig die Daten von der Website der BKK verschwanden.

Es gibt für mich daher nur eine logische Erklärung: Man will die weitere Aufarbeitung der Daten verhindern. Löscht man Daten, wenn man leicht beweisen kann, dass sie falsch sind? Wohl kaum!

 

Quellen:

(1) https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/132101/Aerger-um-Kassenaussagen-zu-Impfnebenwirkungen

(2) https://coronadatenanalyse.de/krankenhaus-abrechnungsdaten-impfnebenwirkungen-2019-bis-2021/